Für den SCHLOSSTURM ist die Antwort bereits im Jahr 1994 gefunden worden. Eine Studentengruppe der Universität Hannover hat damals unter der Leitung von Dr. Stefan Amt die Eichendielen des Fußbodens in der ersten Etage mit Blick auf das Alter und Fälldatum dendrochronologisch untersuchen lassen.
Die Analyse der Jahresringe hat ergeben, dass die Eichen für den Neu- oder Wieder(?)aufbau im Jahr 1519 gefällt worden sind. Vermutlich ist der Turm im Jahr 1521 fertiggestellt worden.
Die Wissenschaft vom Baumalter liefert eine genaue Jahreszahl. Nun müssen Historiker*innen mit dieser Zahl weiterarbeiten: Welches Ereignis führte bis 1519 erst zur Zerstörung und anschließend zum Neu- oder Wiederaufbau des Turmes?
In diesem Fall bedurfte es keiner langen Suche: 1519 begann mit der Hildesheimer Stiftsfehde der wohl blutigste Regionalkrieg im Gebiet des heutigen Niedersachsens. Zu diesem Urteil ist der Historiker Dr. Stefan Brüdermann gekommen.
Erst sieben Jahrzehnte nach der erbitterten Fehde kam es zu Schadenersatzprozess vor dem Reichskammergericht. Boten wurden losgeschickt, die im früheren Kampfgebiet Erinnerungen sammeln sollten. Nach ihren Schilderungen fertigte der Kartograf Johannes Krabbe 1591 seine Karte “Chorographia der Hildesheimer Stiftsfehde”. Zu dieser Karte schrieb Brüdermann eine historische Erläuterung, die beim Herausgeber des Nachdrucks, dem Landesamt für Landesverfassung und Geobasisinformation Niedersachsen, herunterzuladen ist.
Zwei Menschenalter zwischen dem Kriegsgeschehen und der Karte – Anspruch auf Vollständigkeit kann es also nicht geben. Möglicherweise sind die “Erinnerungssammler” nicht einmal in Sachsenhagen gewesen. So ist es nicht unbedingt verwunderlich, dass der Ort auf der Karte unversehrt erscheint, während Nachbarorte (z. B. Petershagen, Lade) mit den Flammen der Vernichtung umgeben sind.
Die Schaumburger hatten am 22. April 1519 das bischöfliche Schloss Petershagen im Sturm genommen. Die Stadt Petershagen hatte der Bischof am Tag zuvor im Flammen aufgehen lassen. Gleich darauf hatte Franz, der Bischof von Minden, 4000 Söldner zusammengerafft und durchzog nun mit diesen die heimatlichen Fluren auf seinem Marsch ins Lüneburger Land. Die Söldner machten mit Rauben und Brennen viele arme Leute. Es wurden alle Schränke aufgebrochen und ihres Inhalts beraubt. Eisenwerk, Äxte, Barten, Sägen und Ackerwerkzeug wurden gestohlen.”
Schaumburg-Lippische Heimatblätter, 1970
Die Ergebnisse des dendrochronologischen Gutachtens sind zitiert in der Turmbeschreibung des Architekten Manfred Röver aus Soldorf, der im Jahr 2000 für die Stadt Sachsenhagen Pläne für eine Renovierung des Gebäudes ausgearbeitet hat. Vom Architekten stammt auch ein weiterer Hinweis: Einige Steine im Untergeschoss sind erkennbar zweitverwertet. Das weist auf einen Wiederaufbau nach den Zerstörungen während der Hildesheimer Stiftsfehde vom Jahr 1519 an hin. Fertig gestellt worden ist er vermutlich im Jahr 1521.